Warum jedes Pferd von Natur aus schief ist – und wie die Kreislinie hilft, es gerade zu richten

Wenn du schon einmal auf einem Pferd gesessen hast, kennst du es vielleicht: Auf der einen Hand lässt es sich wunderbar biegen, auf der anderen fühlt es sich steif, schwer oder irgendwie „unrund“ an.

Das hat nichts mit Ungehorsam zu tun – es ist ganz natürlich. Denn jedes Pferd ist von Geburt an ein kleines bisschen schief.

Woher kommt die natürliche Schiefe?

Genau wie wir Menschen eine starke und eine schwächere Seite haben, ist auch das Pferd nicht völlig symmetrisch gebaut. Wir sprechen hier von Lateralität. Schon im Mutterleib liegen Fohlen meist auf einer Seite eingerollt. Dadurch entwickelt sich ihre Muskulatur und Gelenkstellung minimal unterschiedlich. Nach der Geburt kommen Bewegungsgewohnheiten, Sehnenspannung und das Gleichgewicht dazu – all das verstärkt diese Schiefe mit der Zeit. Wo genau die Lateralität ihren Ursprung hat, ist noch nicht geklärt. Es ist aber ein Erklärungsansatz.

Das Ergebnis der Lateralität:
Eine Körperseite wird etwas verkürzter, kräftiger und fester, die andere länger, weicher und dehnbarer.

Diese Unterschiede betreffen nicht nur Muskeln, sondern auch die Bewegungskoordination und Wahrnehmung des Pferdes.
So wie wir Menschen lieber mit einer Hand schreiben, hat auch das Pferd eine „Lieblingsrichtung“, in die es sich leichter bewegt.

Wie erkennt man Schiefe beim Pferd?

Man sieht und fühlt sie an mehreren Dingen – auch schon vom Boden aus:

  • Eine Schulter steht etwas weiter vor, die andere leicht zurück.
  • Die Mähne fällt überwiegend auf eine Seite.
  • Im Stand trägt das Pferd ein Hinterbein lieber entlastet – immer dasselbe.
  • In der Bewegung fällt es auf einer Hand über die äußere Schulter,
    auf der anderen biegt es sich kaum.
  • Unter dem Reiter fühlt es sich an, als ob es auf einer Hand kürzer und steifer läuft und auf der anderen zu stark nach innen kippt.

Das sind alles Zeichen der natürlichen Schiefe – und kein Grund zur Sorge.
Sie gehört zu jedem Pferd dazu, und genau hier beginnt unsere Aufgabe als Reiter: das Pferd durch Gymnastizierung ins Gleichgewicht zu bringen.

Warum hilft die Kreislinie?

Die Arbeit auf der Kreislinie – egal ob großer Zirkel oder kleine Volte – ist eines der besten Mittel, um ein Pferd sanft geradezurichten.

Beim Reiten auf einem Kreis passiert im Körper des Pferdes Folgendes:

  • Die verkürzte, feste Seite wird gedehnt und beweglicher.
  • Die längere, weichere Seite wird gekräftigt und stabiler.
  • Die Hinterhand tritt mehr unter den Schwerpunkt, wodurch das Pferd sich besser trägt.
  • Das Gleichgewicht verbessert sich, und das Pferd lernt, sich gleichmäßig auf beiden Seiten zu bewegen.

So entsteht Schritt für Schritt Geraderichtung – die Grundlage für jede gesunde Bewegung unter dem Reiter und ein wichtiger Punkt in der Skala der Ausbildung der Pferde.

Warum Jungpferde noch nicht viel auf dem Kreis arbeiten sollten

Gerade junge Pferde müssen unter dem Reiter erst ihre eigene Balance finden.
Das Gewicht des Reiters verändert ihren Schwerpunkt – sie müssen lernen, ihren Körper zu koordinieren, bevor sie auf engeren Linien sicher laufen können.

Darum gilt: In der Grundausbildung lieber gerade Linien und große Bögen reiten. So kann das Pferd Kraft, Gleichgewicht und Vertrauen aufbauen.

Wenn es gelernt hat, sich selbst im Gleichgewicht zu tragen, kann man langsam beginnen,
Kreise zu verkleinern – zuerst auf 20 m Zirkeln, dann auf 15 m, und später auf 10 m oder kleinere Volten.

Das kostet Kraft, besonders in der Hinterhand und Rumpfmuskulatur. Darum immer: kurze Reprisen auf dem Kreis, dann wieder geradeaus zum Entlasten.

Zirkel verkleinern und vergrößern – eine perfekte Übung

Eine der besten Übungen, um das Gleichgewicht auf der Kreislinie zu fördern,
ist das Zirkel verkleinern und vergrößern.

So geht’s:

  1. Reite auf einem großen Zirkel (ca. 20 m).
  2. Mit dem inneren Schenkel und leicht nachgebendem äußeren Zügel verkleinerst du den Kreis schrittweise auf etwa 15 m.
  3. Dann treibst du das Pferd mit dem inneren Schenkel wieder nach außen, um den Zirkel zu vergrößern.

Diese Übung ist Gold wert, weil sie:

  • das Pferd zwischen Dehnung und Kräftigung abwechseln lässt,
  • die innere Seite geschmeidig, die äußere stabil macht,
  • und die Rumpfmuskulatur aktiviert.

Wenn dein Pferd dabei ruhig im Takt, weich in der Biegung und leicht in der Hand bleibt, weißt du: Es findet seine Balance.

Zirkel und Volte – was ist der Unterschied?

  • Zirkel (ca. 20 m): Ideal zum Aufwärmen, Lösen und für junge Pferde.
    Der große Kreis erlaubt Biegung, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
  • Volte (6–10 m): Für erfahrenere, balanciertere Pferde.
    Auf der kleinen Kreislinie muss das Pferd sich stärker biegen und die Hinterhand aktiv einsetzen
    das hat eine versammelnde Wirkung.

Je kleiner der Kreis, desto mehr Balance und Kraft braucht dein Pferd. Darum immer: von groß zu klein – von leicht zu schwer. Das Gefühl sollte sein, als bewege sich das Pferd wie auf Schienen. Hast du das Gefühl, du fährst Motorrad und kippst nach innen in die Mitte, gehe zurück auf Anfang!

Fazit

Jedes Pferd ist von Natur aus etwas schief – das ist völlig normal. Unsere Aufgabe als Reiter ist es, durch gezielte Arbeit auf der Kreislinie dafür zu sorgen,
dass sich das Pferd gleichmäßig entwickelt, kräftigt und gesund trägt.

Mit Geduld, feinen Hilfen und einer klugen Reihenfolge – erst gerade Linien, dann Zirkel, später Volten – hilfst du deinem Pferd, seine natürliche Schiefe auszugleichen. So entsteht mit der Zeit ein Pferd, das sich leicht, geschmeidig und im Gleichgewicht bewegt – und ein Reiter, der spürt, wie schön es ist, ein wirklich gerades Pferd zu reiten. 💫🐎

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